Sonntag, 24. Juli 2011

Illegale Einwanderer

Manchmal kommt es mir so vor, als wäre mein Garten die Anlaufstelle für illegale Einwanderer oder anderweitig politisch verfolgte Flora.
Immer wieder schafft es ein Pflänzchen über die grüne Grenze in mein Reich.
Die Migranten versuchen erstmal unterzutauchen und im Schatten anderer grüner Gestalten unerkannt zu bleiben.
Spätestens aber, wenn sie nicht mehr an sich halten können und blühen müssen, geht es zur Passkontrolle.
Denn eine Pflanze muss tun, was eine Pflanze tun muss, und so fällt es dem Gärtner viel leichter, die Identität eines unbekannten Gewächses zu lüften, wenn es schließlich blüht.

Grundsätzlich schaue ich dem munteren Treiben ja auch erstmal zu, bis ich zweifelsfrei den Namen einer Pflanze kenne. Dann tagt die Einwanderungsbehörde (meine Wenigkeit sowie als Berater mein Gewissen) und entscheidet im Stillen Kämmerlein, ob die Spontanvegetation des Gartens verwiesen wird oder das Bleiberecht erhält.

Nach der hübsch blauen Pentaglottis, die sich rotzfrech im Garten aussät, aber bleiben darf, weil sie so genügsam und ausnehmend schön ist, trat nun der nächste Kandidat auf die Bildfläche.

Argwöhnisch beobachtet hatte ich ihn schon länger. Er soll nicht glauben, dass er monatelang erfolgreich meiner Aufmerksamkeit entgehen konnte, das wäre ja gelacht.
Und er hatte meinen vollen Respekt - setzte er sich doch gegen die verschattende Frauenmantelnachbarschaft durch und überlebte Wurzeldruck, Trockenheit und wenig Licht so gekonnt, dass sich der Vergleich mit den Straßenhunden auf Mallorca aufdrängte.

Jetzt blüht die Pflanze endlich und ich konnte zu kriminalistischen Analysen greifen.


Gegenständige Blätter, behaarter Stengel, Kugelblüte....
Mir war sofort nach Kardengewächs zumute.

Und richtig, da war sie ja, die Behaarte Karde (Dipsacus pilosus, Syn.: Virga pilosa), eine einheimische Pflanze, die selten zu finden ist und den Schatten liebt. 
Volltreffer, dachte ich - die darf bleiben. Eine Karde in Ehren kann doch niemand verwehren, noch dazu, wenn sie ohne botanischen Migrationshintergrund daherkommt.

Doch halt, was steht hier denn...
Dipsacus strigosus.... regional fest eingebürgerter Neophyt.... fast immer mit Dipsacus pilosus verwechselt worden und daher bestimmungskritisch... 
Und vor allem war es da wieder, das böse Wort: Neophyt!


Die Unterscheidung soll ganz einfach sein: D. pilosus hat schwarz-violette Staubgefäße, D. strigosus dagegen helle, gelbliche oder grünliche, außerdem überragen hier die Spreublätter die Krone deutlich.

Also noch mal genauer hingeschaut:


Bingo, da haben wir den Salat - der Neue sieht eher nach dem berüchtigten Neophyten aus.

Falls jemand mitliest, den diese Pflanze interessiert: Hallo da draußen! Vermelde Anwesenheit von Dipsacus strigosus in Ostwestfalen! Verdächtiger (noch) nicht flüchtig.

Was meint ihr also, verehrtes Publikum - darf diese weiße Karde bleiben?
Zu ihrer Verteidigung kann man eine durchaus schmucke Blüte und eine generelle Beliebtheit beim Hummelvolk ins Felde führen. Dazu kommt noch die Schattenverträglichkeit.


Frage ich also die Jury: Raus damit oder verblühen lassen?
Damit ist das Schicksal meiner Dipsacus strigosus für die Geschworenen zur Diskussion freigegeben.

21 Kommentare:

  1. Hmm, also ich bin eigentlich im Zweifel immer für den Angeklagten und würde ihm Papiere aushändigen und Bleiberecht geben. Häng mich bitte aber nicht auf, wenn Du dann plötzlich im Garten nur noch weisse Karden hast und alles andere die Flucht ergriffen hat *kicher*. Ich kenn mich damit nämlich überhaupt nicht aus. Aber die Blüte sieht so zierlich und schön aus, da kann man dem frechen Einwanderer doch nicht böse sein und wer weiss, aus welchem Hungerland er stammt *sniff*. Ja, ja, ich bin ein Weichei.
    Toll geschrieben Dein Post... hach, ich wiederhole mich andauern, aber es ist halt einfach so. Es macht immer wieder Spass bei Dir.
    Liebe Grüsse
    Alex, die selber im Gwundergarten zugewandert ist *kicher*

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  2. Liebe Elke,

    wenn man über jemanden zu Gericht sitzen soll, muss man sich erst einmal sachkundig machen. Das habe ich getan und habe erfahren, dass die Einführung von Neophyten mit der Entdeckung Amerikas bekann. Man weiß also nicht, in der wievielten Generation Dein Pflänzchen hier schon wächst. Außerdem ist es ja nicht freiwillig zu uns gekommen, sondern wurde sozusagen verschleppt. Es sieht hübsch aus und die Hummeln lieben es. Noch zwei wichtige Punkte und wenn es sich mit den anderen Pflanzen gut verträgt, denke ich, hat es ein Bleiberecht verdient.

    Liebe Grüße
    Jutta

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  3. Huch, Pentaglottis, also Ochsenzunge kannte ich vom Ansehen noch gar nicht. Wächst in unserem Raum nicht, habe ich noch nirgendwo gesehen, obwohl ich hier viel in der Natur herumkomme.

    Würde mir außerdem auch sehr gefallen, da dürfte sie ebenfalls bleiben.

    Die behaarte Karde habe ich auch noch nirgendwo gesehen. Lediglich die Wilde oder die Weber-Karde.

    Danke auch für die Verlinktung des Dokumentes bezüglich Dipsacus pilosus - das habe ich mir gleich mal abgespeichert. Ich sammle ja Literatur über Wildpflanzen.

    Ich hätte sie wohl - erstmal - bleiben lassen :-) Man kann so etwas ja in Grenzen halten. Wir haben hier bspw. den Japanischen Knöterich, auch einen Neophyten - früher hatte ich auch mal das Große Springkraut, das so schöne rosafarbene Orchideenartige Blüten aufweist. Das durfte in einem schmalen Streifen in einem unserer früheren Gärten durchaus wachsen.

    Ich bin überhaupt der Ansicht, daß sich ohnehin die Flora zwangsläufig mit den Jahren verändern wird und wir daran so viel gar nicht machen können. Im Harz bspw. sind sehr weite Flächen an Flußläufen mit diesem Springkraut bestanden. Das kann nie jemand da mehr wegjäten, dafür ist es zuviel. Da muß man irgendwann mit leben. Genauso was den Sommerflieder und andere Einwanderer betrifft, die zudem noch hübsch sind.

    Alles Liebe und noch einen schönen Sonntagabend
    Sara

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  4. Liebe Elke,
    wenn sie keine Aufenthaltsgenehmigung bei Dir bekommt, biete ich Asyl!
    LG Silke

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  5. I'm still watching my thistle, for flowers, local or foreign, will they go or stay? Neophyte would be OK, but is it invasive?

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  6. Hmm, getreu meinem Lieblingszitat eines befreundeten Gärtners... " Es ist Unkraut, wenn es an der falschen Stelle steht.." Ein Freibrief für jede Gartenüberlegung... Wenn du noch unentschlossen bist, dann lass sie stehen, nächstes Jahr kannst du sie immer noch raushauen.;-) LG Annette

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  7. Liebe Elke! Lass die Karde in Deinem Garten wohnen, was soll schon großartiges passieren? Außer, Du weißt schon jetzt, dass es sich dabei um ein aggressives Gewächs handelt:) Bei uns im Garten lebt auch so einiges, was nicht heimisch ist. Erst vor kurzem ist mir wieder das Kleine Springkraut untergekommen, dieses kann aber sehr lästig werden und man ist gut beraten, es rechtzeitig zu entfernen.

    lg kathrin

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  8. Vielen Dank für Deinen Besuch bei mir und den lieben Kommentar! Die Pfiriche solltest Du unbedingt ausprobieren, Du wirst es nicht bereuen...
    Habe eben Deinen Post gelesen... lach! Du schreibst herrlich.
    Liebe Grüsse
    Susann

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  9. Liebe Elke ! _ Stehen lassen! Sie kriegt in Kürze ein Geschwisterchen!!!
    Bei mir hat sich eine Kleesorte breitgemacht. Ich warte auf die Blüte. Ist keine von den gängigen, oder der Schwarze und der Bittersüße Nachtschatten sind hier aufgetaucht. Mal gucken, ob ich Verwendung dafür habe...
    LG Heidi

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  10. Neophyten (griechisch: neo = neu; phyton = Pflanze

    Wenn wir alles ausgerissen hätten, was gemeinhin als Neophyt bezeichnet wird, wären unsere Gärten leeeeeer :o)

    Guckst Du hier: http://www.floraweb.de/pflanzenarten/bigformadapter.xsql


    :o) Jane

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  11. Wo steckt denn Dein neuer Post über den dritten Bildungsweg, der überall auf den Bloglisten angezeigt wird angezeigt wird? bin schon ganz gespannt :-)
    LG Silke

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  12. Ups, ist wohl doch noch zu früh, wenn ich mir meinen kommentar so ansehe ;-)

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  13. Hallo Elke,
    freue mich aber trotzdem schon auf Deinen Post - der Anfang klingt vielversprechend!
    Kleiner Tipp, schnell das Postdatum um ein Jahr zurückversetzen und nochmals kurz veröffentlichen. Dann stehst Du ganz am Ende aller Bloglisten. Später, wenn Dein Post fertig ist kannst Du das Datum wieder aktualisieren ...
    LG Silke

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  14. Wo ich das hier gerade lese, liebe Elke - mich wundert es, wieso man überhaupt einen bevorrateten Post, der noch nicht erschienen ist, bereits sehen kann. Da muß irgend etwas schief gelaufen sein. Denn normalerweise, wenn man nirgendwo draufklickt, speichert Blogger von allein, also selbständig, und dann ist auch in den kleinen Vorschaubildern noch nichts zu sehen.

    Lieber Gruß
    Sara

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  15. Liebe Elke,
    ich hab' das eben in meinem Blog bei dem entsprechenden Kommentar nochmal erklärt, wie man es machen KÖNNTE. Was einmal veröffentlicht wurde, da gilt immer das Veröffentlichungsdatum/-zeit, daran kann man nachträglich leider gar nichts ändern, was die Seitenleiste mit den Vorschaubildchen betrifft. Lediglich was die Chronologie im Blog betrifft, da läßt sich so ein Post später noch hin- und herschieben.

    Liebe Grüße
    Sara

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  16. Mir fällt dazu der Spontispruch "Legal..... illegal...sch...egal ein....
    Was für ein hübsches Kardengewächs, ich stimme auch für 'darf bleiben' ab, gehört die Karde wohl nicht zu einer invasiven, despotisch veranlagten Kräutertruppe!
    Mir fällt außerdem bei dem Thema 'Neophyten' immer ein, was J. Dahl dazu sagte, der den Garten als ' Gasthaus der Mannigfaltigkeit' betrachtete, einen Raum der 'bewussten Hege' und der 'bewundernden Betrachtung'.
    Ich betrachte also Deine hübsche kleine Karde , und wundere mich, wieso sie wohl ausrechnet Deinen Garten ausgewählt hat! Bestimmt, weil sie wusste, dass sie von Dir gehegt werden wird!
    LG
    Sisah

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  17. Hallo Elke,
    angesichts ihrer Pluspunkte in Sachen Schönheit und Beliebtheit bei den Hummeln würde ich erst mal abwarten (und Tee trinken...). Benimmt sie sich, darf sie bleiben, wird sie jedoch übermütig kannst Du sie immer noch rauswerfen.

    Mal wieder herrlich geschrieben!

    Liebe Grüße von Bärbel

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  18. Neophyt hin oder her das ist aber ein schönes Pflänzchen. Ich steh ja auch nicht auf z.B. Goldraute die da halb Deutschland besiedelt und Einheimische Kräuter verdrängt oder Ambrosia das mich zum Dauerniesser macht, aber was kann denn dieses schöne Pflänzchen Böses? Die Hummeln lieben es, ev. muss man es im Zaum halten, stelle mich zur Verfügung welche zu adoptieren, da ich viel Schattengarten habe. Ich plädiere für BEHALTEN!!!!

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  19. schwere Entscheidung und vor allen Dingen sehr interessant, ich schaue mal meine vermeintliche Dipsacus pilosum an.
    Eigentliche lasse ich alle Dipscaus Arten stehen, weil sie Distelfinken Nahrung bieten sollen und bei Hummeln sind sie ebenfalls sehr beliebt, ich vermute bei dem Einwanderer ist das ebenso und das wäre ein Artgument, ihn stehen zu lassen. Solange er kein invasiver Neophyt ist, würde ich ihn lassen, wenn er eine gefahr für heimische Arten darstellt und wie die kermesbeere extrem durch die Vögel verbreitet wird, raus, aber das klingt jetzt gerade nicht so...

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    1. Es ist so ausgegangen: Die Pflanze ist nie wieder in meinem Garten erschienen und auch in der Umgebung nicht. So ist das bei mir - die meisten Sämlinge werden vor lauter Konkurrenz sowieso nichts.

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  20. Ich werde hingegen heute einen ordentlichen Bestand dieser über 2 m hohen Karde jäten. Ich habe noch andere Stellen, wo sie sich versamt hat und werde auch Samen sammeln - ausrotten möchte ich nicht, schließlich ist sie ein Insektenmagnet und Unkrautunterdrücker.

    MicC

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